Die Rettung der Pflasterstraße
Vor etwa hundertfünfzig Jahren, als die Backsteinhäuser, die „Schnitterkaten“ gebaut wurden, da war den Menschen der Erdweg nicht mehr genug. Wie an vielen anderen Orten auf Rügen wurde auch hier der wichtigste Verkehrsweg gepflastert.
Man grub die obere Erdschicht weg, vielleicht entfernte man auch noch eine Lage Lehm und ersetzte sie durch Sand, dann wurden die Pflastersteine sorgfältig aneinandergefügt in dieses Bett gerammt.
Oft wurden zur Gewinnung der Steine Großsteingräber zerklopft, und wer weiß, vielleicht waren unsere glattgeschliffenen Straßensteine einmal Teil von steinzeitlichen Grabmonumenten.
Die holperige Straße, wie auch das weitgehende Fehlen von Straßenlicht stellte für uns hier immer einen besonderen Luxus dar und so gaben wir dem Bürgermeister und den Gemeindevertretern immer wieder zu verstehen, daß wir dieses Straßenstück keineswegs durch eine Asphaltbahn ersetzt haben wollten.
Im Herbst 2008 gab es einen Ortstermin mit Amtsvertretern und einem Ingenieur bei dem man sich einigte, die Straße aus den vorhandenen Steinen neu zu verlegen, fördermittel sollten beantragt werden. Als nun der Bürgermeister im Herbst des Jahres 2009 anrief um die Bürger von den beginnenden Baumaßnahmen zu informieren, teilte er beiläufig mit, man habe sich aus Kostengründen nun doch für eine Variante in Betonstein entschieden.
Bei dem folgenden Treffen kam es zu lautstarken Auseinandersetzungen. Wir waren praktisch chancenlos, der Bauauftrag war bereits vergeben. Nun kamen wir überein diese Straße nicht so einfach preiszugeben. Die folgenden vierzehn Tage glichen einem Hölleritt. Telefonate mit Amt, Ingenieurbüro, der Förderstelle, Ratgebern aus der Kommunalpolitik, Freunden und Vertrauten ließen wenig Hoffnung.
Wir luden einen Ingenieur vom „Forum Natursteinpflaster“ ein, der uns ein Gutachten über die Reparaturmöglichkeiten zu erstellen versprach. Es gab zwei Strategien. Zum einen mußte vermieden werden, daß die Anlieger an den Kosten beteiligt würden, was nur bei einem Neubau geschehen konnte, während eine Reparatur allein von der Gemeinde bezahlt werden mußte. Alle Anlieger unterschrieben einen Brief, in dem sie sich für eine Reparatur aussprachen. Die übrigen Anwohner erklärten sich in einem zweiten Brief solidarisch und boten ihre Mithilfe bei einer Reparatur an.
Wir recherchierten Preise, um der Gemeinde und dem Amt vorrechnen zu können, daß eine Reparatur für alle Seiten kostengünstiger wäre. Ich führte Gespräche mit den Gemeindevertretern.
Eines unserer Schlüsselworte war „Die Straße ist gut, nur das Wasser muß ablaufen können“. Der holperige Zustand war für uns als Tempobremse willkommen. Immer wieder besuchte ich die Straße, immer wieder trafen sich die Schweikvitzer auf der Straße. Viele Gespräche wurden geführt, auch mit den Alten, die diese Straße noch in anderem Zustand kannten. Eine erste Randfreilegung wurde begonnen und es zeigte sich, daß die Straße tatsächlich unter dem in vielen Jahren angewachsenen Boden in gutem Zustand war.
Aus dem Landwirtschaftsministerium, wo ich den für Dorferneuerung zuständigen Fördermittelentscheider erreicht hatte, kam schließlich ein erstes positives Signal. Er wollte sich selbst ein Bild der Lage machen. Der Baubeginn verzögerte sich also. Die Zeit arbeitete für uns, der Winter stand bevor. Inzwischen hatten wir auch einige Ungenauigkeiten im Genehmigungsverfahren aufgespürt. Ein wesentlicher Punkt war, daß im Fördermittelantrag von Natursteinpflaster die Rede war.
Bei dem Besuch aus Schwerin wurden der Gemeinde dann zwei Wege eröffnet, entweder die Straße im kommenden Jahr als geförderte Pflasterstraße bauen zu lassen, oder sie aus eigener Kraft zu reparieren egal mit welchem Material.
Bei einer Sondersitzung des Gemeinderates sprachen sich die Gemeindevertreter nun dafür aus, dem Willen der Bürger zu folgen und die Straße reparieren zu lassen, die Kosten dürften jedoch die achttausen Euro nicht überschreiten, und die Anwohner wurden beim Wort genommen, den Baumseitigen Seitenstreifen selbst freizulegen. Wenn man bedenkt, daß es bei dem Neubau um einen Betrag von achzigtausend Euro gegangen wäre, so wurde die Reparatur für ein Zehntel dieses Volumens erreicht.
Geblieben ist uns das wunderbare Pflaster, die Freude am gemeinsamen Tun, die Solidarität mit den Freunden aus nah und fern und eine Langsamfahrstraße mit der sich alle Bürger hier identifizieren.
Gelernt haben wir, daß sich auch die aussichtsloseste Lage noch wenden läßt, wenn wir alle zusammenstehen.