Tolstoi & Krieg und Frieden
Premiere am 11. April 2025
um 19 Uhr 30 in der ROTEN KUGEL

Eine Zusammenfassung der geschilderten Zeitumstände in „Krieg und Frieden“ gibt Tolstoi im Epilog des Werkes und parodiert darin die herkömmlichen Geschichtsschreibung:

„Ludwig XIV. war ein sehr stolzer und überheblicher Mensch; er hatte die einen und anderen Geliebten und die einen und anderen Minister, und er regierte Frankreich schlecht. Ludwigs Nachfolger waren auch schwache Menschen und regierten Frankreich ebenfalls schlecht. Auch sie hatten die einen und anderen Günstlinge und die einen und anderen Geliebten. Außerdem schrieben in jener Zeit einige Leute Bücher.

Ende des 18. Jahrhunderts fanden sich in Paris etwa zwei Dutzend Menschen zusammen, die davon redeten, daß alle Menschen gleich und frei wären. Infolgedessen fingen die Menschen in Frankreich an, einander umzubringen und zugrunde zu richten. Diese Menschen töteten den König und noch viele andere.

In dieser Zeit gab es in Frankreich einen genialen Mann, der hieß Napoleon. Überall war er der Sieger, das heißt, er brachte viele Menschen um, denn er war sehr genial. Er machte sich auch auf, aus irgendeinem Grunde die Afrikaner umzubringen, und vollbrachte das so gut und schön und war so raffiniert und klug, daß er – zurückgekehrt nach Frankreich – allen befahl, ihm zu gehorchen. Und alle gehorchten ihm.

Nachdem er sich zum Kaiser gemacht hatte, zog er wieder aus, die Völker in Italien, Österreich und Preußen umzubringen. Auch dort tötete er viele.
In Russland aber herrschte damals der Kaiser Alexander, der beschlossen hatte, in Europa die Ordnung wiederherzustellen, und deshalb führte er mit Napoleon Krieg. Doch im Jahre 1807 schloß er plötzlich mit ihm Freundschaft, 1811 flammte der Streit wieder auf, und sie brachten wieder viele Menschen um.

Napoleon führte sechshunderttausend Mann nach Russland und eroberte Moskau; dann floh er plötzlich aus Moskau, woraufhin Kaiser Alexander, mit Hilfe der Ratschläge des Freiherrn vom Stein und anderer, Europa zur Erhebung gegen seinen Ruhestörer vereinigte. Alle Verbündeten Napoleons wurden plötzlich seine Feinde; und dieses Heer zog gegen Napoleon, der neue Kräfte gesammelt hatte. Die Verbündeten besiegten Napoleon, zogen in Paris ein und zwangen Napoleon, auf den Thron zu verzichten.

Sie schickten ihn auf die Insel Elba, beließen ihm aber den Titel des Kaisers und erwiesen ihm hierbei jegliche Ehrerbietung, obwohl sie ihn fünf Jahre vorher und ein Jahr später zum vogelfreien Räuber erklärten. Die Regierung übernahm Ludwig der XVIII., über den bis dahin sowohl die Franzosen als auch die Verbündeten nur gelacht hatten. Napoleon aber verzichtete unter Tränen vor seiner alten Garde auf den Thron und begab sich in die Verbannung.

Dann unterhielten sich in Wien geschickte Staatsmänner und Diplomaten, und durch diese Unterhaltung machten sie die Völker glücklich oder unglücklich. Plötzlich wären die Diplomaten und Monarchen fast doch noch in Streit geraten; sie waren schon drauf und dran, ihren Truppen zu befehlen, einander umzubringen, doch da traf Napoleon mit einem Bataillon in Frankreich ein, und die Franzosen, die ihn gehaßt hatten, ordneten sich ihm sofort wieder unter. Doch die verbündeten Monarchen waren darüber verärgert und zogen wieder aus, mit den Franzosen Krieg zu führen. Sie besiegten den genialen Napoleon, bezeichneten ihn plötzlich als Räuber und verbrachten ihn auf die Insel St. Helena. Dort ging der Verbannte auf den Felsen einem langsamen Tod entgegen, fernab von seinem geliebten Frankreich und den ihm teuren Menschen – er übergab seine großen Taten der Nachwelt. In Europa aber entstand die Reaktion und alle Herrscher begannen wieder, ihre Völker mit den Füßen zu treten.“