Die Glockenweihe in Rappin

27. April 2010

Eine Glocke wird eingeweiht. Eine neue Glocke nimmt einen leeren Platz im Geläut ein. Bronzeglocke – Bronzezeit. Der Klang der tönenden Glocke ruft die Gemeinde in die Kirche. Die Glocke wird geläutet. Die Starken der Gemeinde versetzen die Glocke in Schwingungen. Ihr Klingen stärkt und heilt. Die starken Arme teilen sich der Glocke mit, sie teilen sich den Menschen in der Umgebung mit. Das Material führt zurück in die Vorgeschichte. Nach dem Feuerstein war Bronze das Material der Menschen. Der Klang der Bronze ist urvertraut, er führt zum Urgrund des Menschen. Am höchsten Punkt hängt so im Dorf das heilige Metall. Auch die letzte Materialreserve. Wird diese Materialreserve angegriffen, dann geht es der Gemeinde schlecht, dann geht es ihr an den Kragen.

Im ersten Weltkrieg, im Februar 1918 gab die Kirchgemeinde ihre Glocke ab, damit sie eingeschmolzen werde um die Feinde zu töten. Aus der Glocke wurde eine Waffe. Wer betrieb das, erfolgte es unter Zwang? Waren es die Junker, die einer im letzten Kampf stehenden Monarchie ihr letztes Material zukommen ließen? Gerne hätte man dazu bei der Weihe der Glocke ein Wort gehört. Immerhin, die Nachfahren der damals und heute wieder hier lebenden Adelsfamilien waren mit vielen anderen beteiligt, die Glocke neu zu schaffen, die nun am Sonntag den 25.April 2010 die schmerzende Wunde heilen sollte.

Beteiligt diesen Tag zu feiern,  waren aber auch eine ganze Menge Schweikvitzer, die mit Pferd, Wagen und Fahrrädern zu diesem großen Ereignis eilten, denn schließlich ist Rappin auch unser Kirchsprengel und so mancher Schweikvitzer liegt auf dem Kirchhof begraben.

Kaum eine halbe Stunde waren wir bei herrlichem Wetter unterwegs und auf dem Platz zwischen dem hölzernen Kirchturm und der in den letzten Jahren behutsam renovierten St Andreas Kirche hatten sich schon recht viele Menschen versammelt, und es strömten immer mehr zu.

Schweikvitz war mit einer lustigen Kinderschar vertreten, die sich munter zwischen den Grabsteinen vergnügten und die weihevolle Stimmung ein wenig lebendiger machten.

Aber auch der Wind bewegte die Szenerie und es war ja auch für alle, die in jahrelanger Mühe die Neuschaffung der Glocke betrieben hatten ein wunderbarer Erfolg.

Pastor Schott begrüßte die Gemeinde und die Neugierigen und sprach dann ein Gebet für die Glockengießerund die Glocke, mit jedem Amen wurde die Glocke mit dem noch nicht eingehängten Klöppel angeschlagen und man ahnte die Klangfülle, die sie entfalten würde, wenn sie im Glockenstuhl gehängt sein würde.
Schließlich wurde die Glocke auf einen Hubwagen abgesetzt und mit einem Flaschenzug in den Glockenstuhl gehoben. Währenddessen lud die Kirchgemeinde zu vorzüglichem Kuchen ein und es kam zu vielen netten Begegnungen mit Bekannten und noch nicht Bekannten.

Und dann, während des Dankgottesdienstes nahte der große Moment. Die Glocke wurde zum ersten Mal geläutet, voller Ergriffenheit erhoben sich fast gleichzeitig alle Gottesdienstbesucher und lauschten lange reglos dem Klingen, Summen und Tönen und nicht nur einem standen Tränen der Rührung in den Augen.

Es bleibt nun zu hoffen, daß die Gemeinde es sich noch einmal anders überlegt und auf die Anschaffung eines elektrischen Läutwerks verzichtet und den starken Armen der Gemeinde das Läuten überläßt. Mit einer seltsam widrigen Empfindung erinnere ich mich des Momentes in der Kirche meiner Jugenzeit, da der Pastor neben der Kanzel einen Schalter umlegte und die Glocke zu läuten begann. Leute, läutet mit der Hand!

Auch bleibt zu hoffen, daß es ein wenig nachdenklich stimmen möge, wie eine Gemeinde das Heilige Metall abgeben konnte um es zu Waffen umzuschmelzen. Gerade heute, wo wir wieder im Krieg stehen, sollte man sich klar darüber sein, wie das Treiben derer zuhause immer auch Auswirkungen auf andere Menschen an anderen Orten der Welt hat.

Möge also der Klang der Glocke einen guten Geist über unsere Felder, Wälder und Moore senden.

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