Johann Gottlieb Picht
Literarischer Spaziergang in und um den Gingster „Bauerndom“
am 16./17.06.2023 um 19 Uhr
Hinweisen möchten wir noch auf ein spannendes Konzert in der Jacobi Kirche am kommenden Sonntag um 16.00Uhr, dass dem in Gingst geborenen Komponisten Joachim Nikolas Eggert gewidmet ist und den schwedischen Hofkapellmeister im Kontext von Mozart und Haydn erklingen läßt. Nebenbei kann man die Sommerhitze in dem schönen und wohltemperierten Kirchenraum abklingen lassen.
250-jähriges Jubiläum der Aufhebung der Leibeigenschaft der Gingster Pastoratsuntertanen am 15. Juni 1773 durch den Pastor und Präpositus Johann Gottlieb Picht (1736-1810).
Die Kirchgemeinde Gingst plant aus Anlaß des 250 jährigen Jubiläums der Freilassung der Pastorats-Leibeigenen mehrere Veranstaltungen. Das Ensemble der Hinterlandbühne Rügen nimmt die Zuschauer auf den Lebensweg von Johann Gottlieb Picht mit. An mehreren Stationen in und um die Gingster Jacobikirche wird der Präpositus in den Kontext seiner Zeit gestellt. Es wird Fragen um Untertanengeist, Freiheit, Fürsorge und Verantwortung nachgegangen. Im Anschluss lädt die Kirchgemeinde Gingst zu einem abendlichen Umtrunk ein.
Der Organist Bernt Malmros aus Stockholm ist eigens angereist um auf der noch erhaltenen Orgel, die 1790 von Christian Kindt gebaut und von Picht mit Schnitzerein verziert wurde, durch die Veranstaltung zu begleiten. Dabei werden auch Werke des in Gingst geborenen Joachim Niklas Eggert (1779-1813), Kapellmeister am königlichen Hof in Stockholm zu Gehör gebracht.
Am darauffolgenden Sonntag dem 25.6. wird das Furiant Quartett in der Kirche Gingst Werke Eggerts im Kontext mit Kompositionen seiner Zeitgenossen (Haydn, Mozart) spielen.
Wer war Johann Gottlieb Picht?
Über 30 Jahre vor der verfassungsmäßigen Aufhebung der Leibeigenschaft 1806 in Schwedisch-Pommern hob der Gingster Pastor Picht mit Zustimmung des schwedischen Königs am 15.Juni 1773 die Leibeigenschaft der zum Pastorat gehörenden Leibeigenen auf. Wie damals üblich, gehörte auch in Gingst der Pfarrhof mit Landwirtschaft als Einnahmequelle zum Pastorat. Die Pastorats-Leibeigenen mußten wie die Leibeigenen auf den umliegenden adligen Gütern Frondienste, das heißt Feldarbeit leisten. Als „Schollengebundene“ konnten sie weder den Ort noch den Dienstherren wechseln. Selbst Soldat durften sie nicht werden und den Beruf nicht frei wählen. Da die Patronatskirche Gingst der schwedischen Krone direkt unterstand und die in schwedisch Pommern übliche Leibeigenschaft in Schweden nicht existierte, gelang es Picht beim schwedischen König die Erlaubnis zur Freilassung zu erreichen. Doch mit der Freilassung war es nicht getan, denn die aus Unfreiheit und Abhängigkeit entlassenen Menschen konnten in einer Zeit in der es weder eine geordnete Schulbildung, noch einen fürsorgenden Staat gab, nicht vollständig sich selbst überlassen werden, und so wurde Picht auch zu einem bedeutenden Sozialreformer.
Er engagierte sich für alternative Erwerbsquellen für die Freigelassenen und das Schulwesen. So entwickelte er das Weberhandwerk und etablierte die Gingster Damastweberei. Seine sozialreformerischen Ansätze im Bereich der Bildung führten dazu, dass Kinder von Freigelassenen in erster Genration bereits herausragende kulturelle Leistungen vollbrachten. Genannt sei hier der aus Gingst stammende Komponist Joachim Nicolas Eggert (1779-1813), ein Schüler Pichts und Sohn eines von ihm freigelassenen Schusters. Eggert wurde 1802 Kapellmeister am Schweriner Hoftheater, und wirkte von 1808 bis 1812 als Hofkapellmeister am Königlichen Hoforchester in Stockholm.